Junge Helfer packen in “Valsgaard” an

Zurück zur Startseite 7. August 2010

 

Wikinger besaßen noch keine Maurerkellen - deshalb müssen Jinyong Lee (21, vorn) und sein Freund Bit Park (21) aus Südkorea beim Verputzen der Mauern des Lagerraumes den Lehm mit den Händen auftragen.<br />Foto: kahlen

Wikinger besaßen noch keine Maurerkellen – deshalb müssen Jinyong Lee (21, vorn) und sein Freund Bit Park (21) aus Südkorea beim Verputzen der Mauern des Lagerraumes den Lehm mit den Händen auftragen.
Foto: kahlen

Wallsbüll: In Wallsbüll wird dieser Tage eifrig gewerkelt. Baumstämme werden geschleppt, Schlamm-Mischungen angerührt, Grassoden aufs Dach befördert, Sträucher gekappt oder Erdlöcher ausgehoben. Denn ein ganz besonderes Dorf ist auf der rund 4,5 Hektar großen Freizeitanlage der Gemeinde im Werden: der Nachbau einer Wikinger-Siedlung aus der Zeit um 1.000 nach Christus, das “Mittelalterliche Dorf Wallsbüll”, das auf den Namen “Valsgaard” getauft wurde.

Gebaut wird an der rund 3.000 Quadratmeter großen Siedlung, die nur in Eigenleistung entstehen soll, bereits seit Mitte 2009. Zunächst wurde im Herbst eine Palisaden-Umzäunung fertig gestellt. Dann wurde im Wallsbüll-Osterbyer Kratt eine Menge Eichenholz geschlagen. Und genau dieses Holz halten nun tagein tagaus 17 junge Menschen aus der ganzen Welt in Händen. Die 16- bis 22-jährigen Schüler und Studenten aus Japan, Südkorea, Deutschland, England, Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland, Lettland und Montenegro errichten die ersten Gebäude: eine offene Schmiede mit Lagerraum, einen Unterstand und zwei Grubenhäuser, die einst zur Aufbewahrung von Vorräten dienten.

Der Verein “Internationale Jugendgemeinschaftsdienste” mit Sitz in Hildesheim hatte das Projekt “Mittelalterliches Dorf Wallsbüll” international ausgeschrieben – “und zum großen Erstaunen der Verantwortlichen in Hildesheim waren die Plätze nach kürzester Zeit belegt”, sagt Bürgermeister Werner Asmus, der die Baustelle fast täglich besucht und mitarbeitet. Und so trafen alle Helfer am vergangenen Sonnabend in Wallsbüll ein, um gleich ab Montag kräftig mit anzupacken. Zwei Wochen werden sie bleiben. Eine Zeit, in der sie fünf Stunden täglich unter fachmännischer Anleitung arbeiten müssen, aber auch genügend Freizeit haben, um Ausflüge zu unternehmen. Alle sind im Dorfgemeinschaftshaus von Wallsbüll untergebracht, wo sie sich gegenseitig mit Gerichten aus ihrer Heimat bekochen.

Das Dach des Lagerraumes ist fast fertig: Acht der insgesamt 17 jungen Helfer (oben) sowie Bürgermeister Werner Asmus (unten, 3.v.l.), Architekt Jacob Rasmussen (4. v.l.) und Vereinsvorsitzender Jürgen Stein (2.v.r.) sind mit dem Vorankommen sehr zufrieden.<br />Foto: kahlen

Das Dach des Lagerraumes ist fast fertig: Acht der insgesamt 17 jungen Helfer (oben) sowie Bürgermeister Werner Asmus (unten, 3.v.l.), Architekt Jacob Rasmussen (4. v.l.) und Vereinsvorsitzender Jürgen Stein (2.v.r.) sind mit dem Vorankommen sehr zufrieden.
Foto: kahlen

Ihre Arbeit im Wikinger-Dorf leisten sie ehrenamtlich – und sie macht ihnen Spaß. “Ich wollte die Lebensweise der Wikinger erleben, war ganz gespannt darauf”, sagt der 21-jährige Jinyong Lee aus Südkorea, dessen Freund Bit Park (21) auch an dem Workcamp teilnimmt. “Wir wollen hier etwas lernen, aber auch erleben, dass man sich vereinen kann, dass man nicht, wie unser Land, gespalten sein muss”, sagt Jinyong. “Es ist großartig hier.” Sophie Dannreuther aus England studiert in London Deutsch, “deshalb wollte ich Deutschland besuchen, um mehr über das Leben hier zu erfahren”. Was der 18-Jährigen wichtig war: “Es ist so authentisch hier. Es geht nicht darum, fertig zu werden, sondern es geht um die Art und Weise, wie man die Arbeit macht.” Denn bei allen Arbeiten werden fast nur Werkzeuge benutzt, die schon vor 1000 Jahren zur Verfügung standen – und das kriegen die Helfer laut Zimmerermeister Jürgen Stein sehr gut hin. Er ist Mitgründer und Vorsitzender des Vereins “Freunde der mittelalterlichen Anlage Wallsbüll”, der auf der Freizeitanlage bereits mehrere Wikinger-Spektakel veranstaltet hat. “Hochmotiviert und fleißig” seien alle, sagt Stein.

Das Projekt “Mittelalterliches Dorf Wallsbüll”, dessen Gesamtkosten sich auf rund 130 000 Euro belaufen, wird von der Aktivregion “Mitte des Nordens” mit 71 500 Euro gefördert. Für den Rest kommt als Träger die Gemeinde Wallsbüll auf. Das Dorf, in dessen Nähe sich 13 Wikinger-Gräber befinden, die in die Anlage eingebunden werden sollen, wird 2013 fertig sein, schätzt Werner Asmus, dem das Projekt sehr am Herzen liegt. Es sei nicht immer einfach, alle Bau- und Brandschutzvorschriften zu erfüllen, “die Wikinger mussten sich schließlich an keine Landesbauordnung halten”, sagt er. Doch bislang sei im Grunde alles glatt gelaufen. “Nur der lange Winter hat uns ein wenig geärgert”, sagt der 64-Jährige. Mit den grob veranschlagten 6.000 Arbeitsstunden werde man nicht auskommen. “In einem halben Jahr hätten wir das Dorf mit einer Fachfirma aus dem Boden stampfen können, aber das wollten wir nicht”, betont Asmus. Zudem strebe man keinen Museums-Charakter an, denn: “Hier ist anfassen erwünscht.” Das Dorf soll Geschichte verständlich machen, und laut Asmus touristisch, wirtschaftlich und pädagogisch wertvoll sein. Er ist sicher: “Wir werden den langen Winter wieder einholen.” Doch er weiß auch: “Richtig fertig ist man eigentlich nie.”

Flensburger Tageblatt 7. August 2010  Von Anna Kahlen